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Neuroleptika

Neuroleptika (Antipsychotika) „ordnen“ die gestörten psychischen Funktionen. Sie werden hauptsächlich zur Behandlung von Psychosen mit Wahn und Halluzinationen (v. a. Schizophrenien) und bei schweren Störungen des Denkens und des Erlebens kurz-, mittel- oder auch langfristig eingesetzt.

Des weiteren dienen Neuroleptika der Ruhigstellung akut verwirrter Patienten und der Behandlung von wahnhaften Depressionen und - was teilweise umstritten ist - anderen schweren psychischen Erkrankungen.

Die antipsychotische Wirkung der Neuroleptika öffnet den Kranken zum einen für die Psychotherapie, zum anderen wirken sie je nach Art und Dosierung beruhigend und dämpfend (sedierend).

Entgegen einem verbreiteten Vorurteil machen Neuroleptika auch bei sehr langer Einnahmedauer nicht süchtig, haben aber teils starke Nebenwirkungen. Die antipsychotische Wirksamkeit korreliert dabei mit einer - mehr oder weniger stark ausgeprägten - unerwünschten Beeinträchtigung der Motorik (extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen).

Als typische Neuroleptika werden Neuroleptika der ersten Generation bezeichnet. Man unterscheidet nach Stärke ihrer Wirkung und dem Nebenwirkungsprofil zwischen niederpotenten, mittelpotenten und hochpotenten Neuroleptika. Hochpotente Neuroleptika wirken am stärksten gegen die psychotischen Symptome, beruhigen aber nur wenig. Sie haben vergleichsweise starke Nebenwirkungen. Bei niederpotenten Neuroleptika steht hingegen die beruhigende, sedierende Wirkung im Vordergrund bei nur schwach ausgeprägten extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen.

Als atypische Neuroleptika (Atypika) bezeichnet man moderne Neuroleptika, die im Vergleich zu typischen Neuroleptika die Motorik und die Denk- und Wahrnehmungsfähigkeit des Patienten weniger stark beeinträchtigen und schwächere extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen haben sollen. Letzteres wird aber durch neue Studien in Zweifel gezogen und gilt uneingeschränkt allenfalls für Clozapin (Leponex®). Eine US-amerikanische Studie von März 2009 ergab, dass die Atypika das Risiko eines plötzlichen Herztodes verdoppeln. Das Risiko steigt mit der eingenommenen Dosis. Die Vor- und Nachteile der atypischen Neuroleptika werden momentan kontrovers diskutiert, so dass bei der Wahl des geeigneten Neuroleptikums die individuelle Verträglichkeit im Vordergrund stehen sollte.

Die meisten Neuroleptika werden als Tabletten in 1–2 Dosen täglich eingenommen. Einige Neuroleptika können aber auch als Depotmedikation verabreicht werden: Sie werden in das Muskelgewebe injiziert und geben bis zu vier Wochen lang kontinuierlich den Wirkstoff in die Blutbahn ab. Dies ist bei ambulant behandelten Patienten von Vorteil, die ihre Medikamenteneinnahme häufiger vergessen. Andererseits sind eventuell auftretende Nebenwirkungen bei einer Depotmedikation nur schwer zu stoppen.

Nebenwirkungen. Zu Beginn der medikamentösen Behandlung mit Neuroleptika spüren manche Patienten Schläfrigkeit, Unruhe, Muskelzucken, Schwindel, Durst und Mundtrockenheit. Gegen letztere gibt es wirksame Medikamente wie künstlichen Speichel. Auch belastet eine Gewichtszunahme von oft zehn oder mehr Kilogramm. Sie beruht darauf, dass Neuroleptika den Grundstoffwechsel, aber nicht den Appetit senken. Dies trifft insbesondere für Clozapin  und Olanzapin  zu.

Weiter stört viele Patienten sehr, dass die Neuroleptika den Bewegungsbereich beeinflussen können. Von diesen extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen betroffen sind sowohl die "Feinmotorik" als auch die "groben" Bewegungsabläufe. Viele Patienten erleben diese unerwünschte Wirkung beispielsweise als Sitzunruhe. Bei dieser so genannten Akathisie kann der Patient nicht mehr still sitzen, läuft rastlos umher und verspürt starke Unruhe. Weitere extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen sind Muskelsteifigkeit, Händezittern und – ähnlich wie bei der Parkinson-Krankheit – ein steifer, kleinschrittiger Gang (medikamenteninduziertes Parkinson-Syndrom).

Extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen können durch bestimmte Medikamente wie z. B. Akineton® gemildert werden.

Nach längerer Therapie mit Neuroleptika treten bei manchen Patienten Probleme wie z. B. spezifische Fehlhaltungen (Dystonien) und Fehlbewegungen (Früh- bzw. Spätdyskinesien) auf. Betroffene strecken z. B. ruckartig die Zunge heraus oder schneiden unwillkürlich Grimassen.

Vor allem die typischen Neuroleptika beeinflussen den Hormonhaushalt, insbesondere können sie die Ausschüttung des Hormons Prolaktin ankurbeln. Folgen sind vermindertes sexuelles Interesse, bei Männern Impotenz, bei Frauen das Austreten von Flüssigkeit aus den Brustwarzen und das Ausbleiben der Menstruation.

Tendenziell erwünscht ist die beruhigende Wirkung, die Neuroleptika gerade zu Therapiebeginn auslösen. Viele Patienten fühlen sich aber auch nach der Eingewöhnungsphase noch extrem müde, leiden unter Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen oder schlechter Stimmung.

Eine seltene, aber gefährliche Nebenwirkung von Olanzapin ist das DRESS-Syndrom (Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptoms). Dabei handelt es sich um eine schwere Arzneimittelüberempfindlichkeitsreaktion, welche in der Regel innerhalb der ersten acht Wochen nach Behandlungsbeginn auftritt. Typische Anzeichen sind ein großflächiger Hautausschlag sowie grippeähnliche Symptome mit Fieber und Lymphknotenschwellung. Im weiteren Verlauf drohen Entzündungen von Herz, Lunge, Leber oder Nieren. Olanzapin-Anwender, bei denen kurz nach Behandlungsbeginn Hautausschläge und/oder grippeähnliche Symptome auftreten, sollten diese umgehend ärztlich abklären lassen, um ein DRESS-Syndrom auszuschließen.

Angesichts des weiten Spektrums an Nebenwirkungen kommt der Frage nach der Auswahl des richtigen Neuroleptikums große Bedeutung zu - denn dadurch lassen sich die unerwünschten Wirkungen im Einzelfall deutlich eingrenzen. Leider gibt es derzeit noch keine allgemein akzeptierten Richtlinien, Einigkeit besteht unter Experten nur darin, dass der Aspekt der Lebensqualität des Patienten im Vordergrund stehen muss.

Das eigenmächtige Absetzen eines Neuroleptikums ist riskant, da das Rückfallrisiko sehr hoch ist. Wenn der Patient das Medikament oder die Dosierung ändern möchte, sollte er diesen Wunsch immer mit seinem Arzt besprechen. Familienangehörige sollten bei entsprechendem Verdacht sicherstellen, dass die Tabletten tatsächlich eingenommen werden. Nicht selten versuchen Patienten die Medikamente zu sammeln, um sich dann mit einer Überdosis das Leben zu nehmen.

27.02.2020 | Dr. med. Arne Schäffler, Gisela Finke in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski